Barbara Schonschor hat zahlreiche Gespräche geführt. Mit der Ausländerbehörde des Kreises, mit Menschen aus der Politik, auch Landrat Dr. Martin Sommer ist in Kenntnis gesetzt worden. Schonschor betreut seitens des Jugendmigrationsdienstes Belessing Ibanga. Sie steht zusammen mit ihrem Partner Peter Eigbiremonien im Mittelpunkt der Diskussion. Das Paar, das seit April 2022 in Deutschland lebt, steht womöglich vor großen Veränderungen: Eine Ausreise nach Nigeria steht im Raum, dort müssten beide in der deutschen Botschaft vorstellig werden, damit eine Rückreise nach Deutschland wieder ermöglicht werden kann. Denn, dass beide hier in Steinfurt bleiben wollen, ist offensichtlich; die aktuellen Hemmnisse dagegen kaum zu verstehen.
Aber von vorne: Ibanga und ihr Partner kommen gebürtig aus Nigeria, zogen vor einigen Jahren in die Ukraine. Dort, Ibanga lebte in Sumy, 30 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, lernten sie sich kennen, zogen zusammen und Ibanga begann ihr Jura-Studium. Dass dieses nicht beendet werden konnte, liegt am russischen Überfall auf die Ukraine, der am 24. Februar 2022 seinen Anfang nahm. Eine Flucht aus dem Kriegsgebiet führte direkt nach Deutschland, zuerst nach Dortmund, später nach Bochum, weiter nach Schöppingen und nun mitten in den Kreis Steinfurt: „Mittlerweile haben wir eine zentrale, zugleich bezahlbare Wohnung gefunden“, freut sich Ibanga über den Fortschritt, der in den vergangenen Monaten durch intensive Sprachkurse, zuerst im Kulturforum, aktuell im Weiterbildungskolleg in Münster sowie die Arbeit im DHL-Paketzentrum in Reckenfeld möglich wurde.
Eigentlich soll nun der nächste Schritt anstehen, die Tinte auf dem Vertrag beim ambulanten Pflegedienst Mobilé ist längst getrocknet und die Ausbildung zur Pflegefachkraft startet zum 1. April des kommenden Jahres. Eigentlich. Denn: Als Drittstaatler sind sie verpflichtet, nach einem Jahr einen Ausbildungs- oder einen Studienplatz vorweisen zu können. Dass beide, auch Eigbiremonien startet zum 1. Februar 2024 mit Unterricht in der neu eingerichteten Pflegeschule in der ehemaligen Nikomedesschule, ihre Verträge bereits unterschrieben haben und damit in einer Berufssparte Fuß fassen, die sich vor dem um sich greifenden Fachkräftemangel kaum noch retten kann, betont Tim Scheipers. Der 38-Jährige ist Geschäftsführer bei Mobilé, der Kontakt mit Ibanga wurde über Schonschor hergestellt: „Bewerbungen aus Deutschland gehen quasi auf null in unserem Bereich. Wir arbeiten bereits mit sehr vielen ausländischen Kräften zusammen, machen gute Erfahrungen und schließen somit auch immer wieder gute Löcher in der Personaldecke.“
Im besten Falle möchte man diesen Umweg umgehen, damit der gradlinige Weg weiter verfolgt werden kann. Im schlimmsten Falle könne es aber zu einer Abschiebung kommen: „Das wollen und müssen wir auf jeden Fall verhindern“, zeigt sich Schonschor kämpferisch. Die Hoffnung verloren hat die 62-Jährige noch nicht, weil sie etwa aus Münster von ähnlichen Fällen gehört hat, in deren Lage eine Ermessensduldung möglich war.
Einzig: Die Zeit drängt. Mit dem Antrag auf eine freiwillige Ausreise, der bis zum 8. Dezember vorliegen müsste, würden sie einer drastischen Abschiebeaktion zuvorkommen, die Taxi-Fahrt nach Düsseldorf und der Flug nach Nigeria würden bezahlt werden. Hier schüttelt Scheipers mit dem Kopf: „Das macht vorne bis hinten keinen Sinn. Wir brauchen Fachkräfte in der Pflege, dann haben wir Menschen hier, die es gerne machen wollen und dann entstehen solche Hürden, die gleichzeitig dem Staat Kapazitäten und Geld kostet.“
Sprachlicher Fortschritt und berufliche Weiterbildung sind die eine Seite, die andere ist bei Ibanga das ehrenamtliche Engagement. So setzte sie sich zuletzt bei der Ausstellung „Soweit Füße tragen können“ des Kulturforums sowie auf einer Demokratiekonferenz, in der Themen wie universelle Menschenrechte thematisiert wurden, ein. Für Ibanga ist klar: „Ich fühle mich hier wohl, ich möchte weiter in Deutschland bleiben.“ Die Realität ist alles andere als gesichert.
Text: Lucas Pals, Westfälische Nachrichten. Vielen Dank!